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[Überblick]

Ich fand, es ist mal an der Zeit, ein wenig Ordnung in die Challenge zu bringen. Immerhin ist es auch für mich schwierig geworden, immer die...

27.10.2016

[06 Kings, Queens, and Jokers]

Die Ich-Perspektive ist etwas, womit ich gerne hadere. Nicht, weil sie mir nicht liegt. Aber sie klingt einfach nicht anders als alles andere, weil ich auch sonst zu nah an meinen Charakteren dran bin. Es ist vertrackt. Aber ich habe es mir zur Aufgabe gemacht, einen Charakter ausschließlich aus dieser Perspektive zu schreiben - auf Gedeih und Verderb. Nur, wenn man etwas macht, kann man schließlich besser darin werden.



Meine Hand kreiste langsam über seinen Bauch, was ihn zu einem zufriedenen Brummen anregte. Ich ertaste Muskeln, seinen Nabel und eine Spur Haare, der ich weiter nach unten folgte.
„Majestät“, sagte er schläfrig, „das ist nicht fair.“
Ich lächelte und zog meine Hand weg. „Was ist denn schon fair?“
Das Bettzeug raschelte, als er näher an mich heranrückte und einen Arm um mich legte. Ich mochte diese Momente, in denen ich verstand, dass er mich vor allem schützen würde, wenn es ihm erlaubt wäre. Aber er war ein niemand. Und das würde sich nicht so schnell ändern.
„Wann muss du wieder gehen?“
„Bald“, antwortete er und seufzte, „ich muss die erste Runde austragen und vorher noch ein wenig schlafen.“
Ich hasste das. Unsere gemeinsame Zeit war immer begrenzt und alles fand heimlich statt. Wollte ich Alec ganz für mich haben, musste ich darauf Acht geben, dass uns niemand erwischte.
„Angelique“, hauchte er, während er meine Seite streichelte, „komm doch mit mir raus. Nur einmal.“
Mein Herz schlug schneller bei dem Gedanken. Ich dort draußen unter den Gewöhnlichen, unter meinem Volk. Einmal wirklich sehen wie es ihnen ging und mit ihnen reden. Sie mussten ja gar nicht wissen, wer ich war. Ich würde es machen wie die Prinzessinnen in den Büchern, die Foxy mir ins Zimmer geschmuggelt hatte. Sie verließen den schützenden Palast, um einige Zeit ein normales Leben zu leben. Ich würde dabei Alecs Umfeld kennen lernen und vielleicht endlich begreifen, was einen Fabrikerben zu einem Postboten gemacht hatte.
Aber das war nur ein Traum.
Ich war keine Prinzessin aus einem meiner Bücher.
Ich war Königin Angelique Maia Theodora Aveline I., wenn auch wider Willen.
Ich war vor gar nicht allzu langer Zeit nur als das Festungskind bekannt gewesen.
Sobald jemand mitbekam, dass ich die Mauern des Palastes hinter mir gelassen hatte, würde jeder Zoll der Stadt nach mir durchkämmt werden.
„Du weißt, dass das nicht geht.“
„Ja.“
Er beugte sich über mich und strich durch mein Haar, während sein Blick weiter nach unten schweifte. Wahrscheinlich war er enttäuscht darüber, dass ich nicht mehr als Küsse zuließ. Aber selbst das war mehr, als ich mir erlauben durfte. Ich war seine Königin, eine unverheiratete Frau. Dass er überhaupt mit mir im Bett lag, war ungehörig genug. Etwaige Folgen eines tiefergehenden Abenteuers wollte ich mir gar nicht ausmalen.
Doch auch meine Angst vor etwas anderem hielt mich immer zurück, ließ mich seine Hände von den Bändern meines Nachthemds weglenken. Ich wusste zu wenig über seine Vergangenheit, um zu wissen, wie er sich in seiner Jugend die Zeit vertrieben hatte. Wie sollte ich ihm denn jemals genügen, wenn er einer der jungen Herren gewesen war, vor denen mich die Ehrenwerten Brüder gebetsmühlenartig gewarnt hatten? Obwohl ich mir schwer vorstellen konnte, dass Alec jemals ein Herzensbrecher mit liederlichen Absichten gewesen war.
„Du wirkst nachdenklich“, sagte er mit besorgtem Gesichtsausdruck.
„Weil ich mich frage, was noch aus uns werden soll.“
Xander Park war niemand, der dem Palast zu nahe kommen sollte. Doch selbst Alexis Pierce kam als mein Gatte nicht in Frage, obwohl er reich genug war.
„Du heiratest einen Adeligen, Prinzen oder was auch immer und ich werde dein Bettgespiele, das ist doch ziemlich eindeutig“, versuchte es mit Humor, ohne dass das Lächeln seine Augen erreichte.
„Vor allem ist es nicht lustig!“, rügte ich ihn, ehe ich mich vom Bett rollte und meinen Morgenrock griff. „Ich denke, ich benötige ganz dringend noch etwas, das mir nur meine Wachen besorgen können.“
Inzwischen hielten meine Wachen mich wohl für verrückt, weil ich gelegentlich mitten in der Nacht nur in Nachthemd und Morgenrock zu ihnen kam, um ihnen verschiedene Dienste aufzutragen. Auch diesmal schauten sie mich verwirrt an, als ich um einen großen Eimer heißes Wasser bat. Statt zu diskutieren, wie sie es ein einziges Mal probiert hatten, kam sie dem Wunsch ihrer Königin nach. Vielleicht ahnten sie auch, warum ich sie wirklich aus dem Weg haben wollte.
Kaum waren sie außer Sichtweite, winkte ich Alec zu mir, der sich sein Oberhemd inzwischen wieder angezogen hatte. Leider. Unser Weg führte uns zum alten Fluchttunnel, von dem wahrscheinlich das halbe Empire wusste. Es erstaunte mich immer wieder, dass auf diesem Wege noch niemand eingedrungen war, der der Monarchie etwas antun wollte. Abt Spring hatte bei meiner Frage dazu nur geheimnisvoll gelächelt.
„Hast du nicht irgendeinen Titel für mich übrig?“, fragte Alec unvermittelt. „Als Earl oder Duke wäre ich deiner sicher würdiger.“
Ich schaute mich sofort um, ob ihn jemand gehört haben könnte. Aber außer der Damen und Herren auf den Gemälden war niemand zu sehen.
„Dazu werde ich meine Berater befragen müssen.“
Alec atmete tief durch und griff nach meiner Hand. Mir wurde wieder ganz warm ums Herz. Sonst berührten wir einander nie, wenn uns jemand sehen konnte, damit unsere geheimen Treffen nicht doch noch die Runde machten. Aber seine Hand auf meiner zu haben, fühlte sich genau richtig an.
„Oder du brennst einfach mit einem Postboten durch, heiratest ihn und kommst mit ihm an deiner Seite zurück. Das Volk würde dich dafür lieben!“
„Oder hassen. Und wenn es erfährt, dass ich gar keinen Postboten sondern einen reichen Erben zum Prinzgemahl genommen habe, bin ich wieder das naive Festungskind, das am besten gestürzt werden sollte.“
„Das Risiko müssten wir dann eingehen.“
Den Rest des Weges schwiegen wir. Ich befürchtete einfach, dass ich ihn mit meinem Pessimismus in dieser Sache verprellen könnte. Und er? Vielleicht schwieg er aus Sympathie.
Mit jedem weiteren Schritt wich der Prunk spürbar einer schlichteren Einrichtung. Nur noch jede zweite Lampe war erleuchtet und der Teppich wirkte abgenutzt. Für mich war es immer wieder erstaunlich, dass man daran merkte, in welchen Teil des Schlosses man vordrang. Die Bereiche meiner Angestellten erinnerten mich ein wenig an die Schwebende Festung, die fast mein gesamtes Leben mein Heim gewesen war. Ich hatte einfach das Gefühl, hinter jeder Tür auf richtige, greifbare Menschen treffen zu können, statt auf die Schlangen, die hofierten, um mich entweder auf ihre Seite zu ziehen oder in Sicherheit zu wiegen.
Wir öffneten die Tür zu dem Lagerraum, in dem sich neben Werkzeugen und Reinigungsmitteln auch der Eingang zum Fluchttunnel befand. Er war klein und nur von dem wenigen Licht erhellt, das durch die schmutzige Fensterscheibe hereingelassen wurde. Alec zog mich in den Raum hinein und schloss die Tür.
„Ich will dich nicht schon wieder verlassen“, sagte er leise und schloss sanft die Arme um mich.
Vielleicht war er eine der Schlangen und manipulierte mich gnadenlos, um tatsächlich der Prinzgemahl zu werden. Vielleicht war sein schneller Herzschlag so echt wie meiner. Ich hatte mir schon zu lange vorgenommen, ihm zu vertrauen.
„Das weiß ich doch.“
Es war alles wie immer, wir vertrödelten die Zeit, indem wir die Umarmung nicht lösten, obwohl meine Wachen inzwischen von ihrer unsinnigen Aufgabe zurück sein mussten.
„Wann sehen wir uns wieder?“, fragte ich, um den Abschied, so schmerzvoll er auch sein mochte, zu beschleunigen.
„Hoffentlich bald.“
Er wusste also nicht, wann er wiederkommen konnte. Ich spürte einen Kloß im Hals, den ich nicht hinunterschlucken konnte. Die Tage des Wartens waren für mich immer die schlimmsten, weil sie einfach nicht vergehen wollten.
„Ich freue mich schon darauf.“
Meine Worte waren noch gar nicht richtig ausgeklungen, da zog ich Alec zu mir herunter in einen Kuss, der alles zeigen sollte, was ich fühlte. Seine Lippen erwiderten den Druck gierig und es hätte alles so schön sein können, wäre nicht in dem Moment die Tür aufgegangen. Vor Schreck wich ich zurück und schaute die Personen, die hineingekommen waren, entsetzt und anklagend zugleich an. Eine meiner Wachen stand mit einer jungen Frau in der Tür. Er war groß und hatte kurzes, dunkles Haar. Seine Augen standen ein wenig zu dicht beieinander, was die ansonsten sehr ansprechende Form seines Gesichts nur minimal beeinträchtigte. Etwas an ihm kam mir bekannt vor, was wohl daran lag, dass ich ihn bereits zuvor in meinem Gefolge gesehen hatte.
Doch sie zog meine Aufmerksamkeit viel eher auf sich. Sie war schmal und hatte noch weniger frauliche Rundungen als ich. Hätte ihr Gesicht nicht eindeutig feminine Züge aufgewiesen, hätte ich sie glatt für einen jungen Mann gehalten. Ihr Haar reichte ihr knapp bis auf die Schulter und hatte einen Farbton, der wohl irgendwo zwischen blond und braun liegen musste. An der Seite steckte ein kleines Blatt aus ihrer Frisur heraus.
Die beiden hielten sich an den Händen und sahen nicht weniger erstaunt aus als ich mich fühlte.
„Was suchst du hier?“, frage Alec, was mich erst veranlasste, ihn anzuschauen. Er war blass, das konnte ich selbst im fahlen Mondlicht erkennen. Mein Blick ging zurück zu den Neuankömmlingen, die schnell ganz in den Raum traten und die Tür schlossen.
„Was du hier suchst, ist ja wohl klar“, antwortete der Wachmann, der zu mir schaute und in die Knie ging, weshalb seiner Begleitung nichts weiter blieb als seinem Beispiel zu folgen. „Majestät, ich bitte um Verzeihung dafür, Euch und Mister Park“ – er betonte den Namen merkwürdig – „gestört zu habe. Das lag nicht in meiner Absicht.“
„Sie weiß, wer ich bin. Du musst ihr nichts vormachen.“
Ich schaute verwirrt zwischen den beiden Männern hin und her, was auch die junge Frau tat. Aber ihr schien ein Licht aufzugehen.
„Wer sind Sie, wenn ich fragen darf?“, sagte ich so kalt es ging.
Der Wachmann warf Alec einen kurzen Blick zu, in dem genug Herausforderung steckte, so dass ich sie auch verstand.
„Mein Name ist Geoffrey Bloom, Majestät“ – Alec schnaubte neben mir, was mich nicht ablenkte – „und ich bin noch nicht lange in Euren Diensten tätig. Ich bin hocherfreut, dass Ihr überhaupt mit einem einfachen Wachmann wie mir redet.“
„Oh, bitte“, sagte die Frau neben ihm. Man konnte ihr quasi anhören, dass sie mit den Augen gerollt hatte.
„Die Dame an meiner Seite ist Elrica. Jedenfalls ist das der Name, unter dem ich sie kenne.“
Ich betrachtete sie eingehender. Damen mit Pseudonym waren meines Wissens zumeist Dirnen, doch danach sah sie nicht aus. Wenn ich jedoch an Alec dachte, der unter falschem Namen angestellt war, und Mister Bloom vor mir betrachtete, der anscheinend auch nicht war, wer er vorgab, war ich gewillt, alte Vorurteile zu begraben.
„Sie können sich wieder erheben.“ Ich untermalte die Aussage mit einer kurzen Geste, der die beiden Eindringlinge nachkamen.
Mister Bloom schaute belustigt zu Alec, wohingegen Elrica nicht verbergen konnte, dass sie genervt war. Sie wollte wohl weg.
„Wieso holt einer meiner Wachmänner seine Geliebte in das Schloss?“, fragte ich mit soviel Autorität in der Stimme wie ich aufwenden konnte.
Seine Augenbrauen gingen nach oben, als könne er sich nicht entscheiden, ob er darüber lachen sollte. Sie hingegen wollte mich für den Kommentar wohl am liebsten mit bloßen Händen würgen. Also keine Geliebten. Trotzdem hegten die beiden ein Geheimnis.
„Majestät, mit Verlaub, dieses Vergehen ist schwerlich nur das meine, wenn ich die Anwesenheit meines kleinen Bruders richtig deute.“
Daher kam er mir so bekannt vor! Ich schaute zu Alec, dann wieder zu dem älteren Pierce-Bruder. Jonathan oder Christopher?
„Mister Pierce, es geht Sie, mit Verlaub, nichts an, wen ich zu mir hole, solange er keine Gefahr für mich ist. Sie jedoch gehören nun auf eigenen Wunsch eindeutig meinem Gefolge an, sonst hätten Sie sich keinen anderen Namen zulegen müssen. Demnach steht es mir frei, Ihnen als Ihre Königin auch unbequeme Fragen zu stellen, also versuchen Sie gar nicht erst ihnen auszuweichen.“
Meine Worte erstaunten mich, da sie so klar aus mir gekommen waren. Viel klarer als jene, die von mir in diesen elenden Gesprächen über Politik von mir gefordert waren. Mir war klar, dass ich mich mit sämtlichen Belangen des Empires auskennen musste, doch ich konnte nicht leugnen, dass mich die Aufgabe ermüdete.
„Nun rück‘ schon mit der Sprache raus“, griff Alexis ein.
„Er ist wegen eines gewissen Postboten hier“, Elrica klang gereizt, doch ihre Stimme erinnerte mich an ein niedliches Hündchen, was gut zu dem Pierce-Sohn neben ihr passte. „Wenn du nicht dein gesamtes Leben weggeworfen hättest, um Briefe auszutragen, wäre er gar kein Wachmann geworden!“
„Das reicht.“ Mister Pierces Stimme klang sanft und brachte sie sofort verdutzt guckend zum Schweigen. Ihn respektierte sie also mehr als ihre Königin, die im Morgenrock vor ihr stand. Bezaubernd.
„Majestät, unsere geschätzte Elrica ist nicht meine Liebschaft, sondern eine teure Freundin, die in Nöten ist. Ich bat ihr meine Hilfe an. Um darüber zu sprechen, ist sie hergekommen.“
In seiner Stimme schwang etwas mit, das mir deutlich machte, dass mehr dahintersteckte, als er im Moment preisgeben wollte. Ich konnte nur nicht entschlüsseln, worin das Geheimnis bestand.
„Kann ich eventuell helfen?“
„Angelique?“
Auf Alecs Protest musste sein Bruder grinsen.
„Euer Angebot ehrt uns, aber Ihr habt bereits mehr geholfen, als Ihr Euch vorstellen könnt.“
Ich war kurz davor zu fragen wie er das meinte, als Elrica mich mit einem ungeduldigen auf und ab Hüpfen ablenkte. Sie wollte weg – und auch ich musste in meine Räume zurückkehren.
„Wie dem auch sei ist sowohl der Besuch Ihres Bruders als auch der Ihrer Freundin vorüber.“
Ich gab Alec ein Zeichen, woraufhin er den Eingang des Fluchttunnels öffnete, durch den wohl auch Elrica ins Schloss gekommen war. Selbst wenn ich dafür Abt Spring einladen musste, blieb mir wohl nichts übrig, als den Tunnel bald magisch versiegeln zu lassen.
Elrica schaute Mister Pierce lange an, als überlegte sie, was sie ihm sagen sollte. Schließlich nickte sie ihm zu und verschwand ohne ein weiteres Wort in den Tunnel.
Mir fiel der Abschied deutlich schwerer. Ich griff nach Alecs Hand, womit ich ihn dazu zwang, noch einen weiteren Augenblick zu verweilen.
„Du bist schon wieder unfair.“
„Ich bin das Gesetz in diesem Land, ich kann gar nicht unfair sein.“
Ein verschmitztes Lächeln umspielte seine Lippen, doch das verflog, als er zu seinem Bruder schaute. Der Moment war zerstört, Alecs Hand entglitt meiner, ehe auch er in den Tunnel verschwand und den Eingang schloss.
„Er hätte Euch ruhig vor meinen Augen küssen können. Ich habe ihn noch nie so sehr auf jemanden aufpassen sehen.“
„Behalten Sie Ihre Einschätzung bitte für sich.“
„Wie Ihr wünscht.“
Ich ging an Mister Pierce vorbei zur Tür.
„Majestät?“ Etwas in seinem Ton ließ mich stehen bleiben.
„Elrica wird mit irgendetwas gedroht, deshalb musste ich Euch die drei Löffel von König Germain I. entwenden.“ Sein Gesicht war völlig ernst. „Meine Bitte ist, dass Ihr mich an ihrer Stelle bestraft, sobald der Diebstahl bemerkt wird. Lasst mich als Schwindler auffliegen und verschont sie.“
„Aber-“
„Ich bitte Euch inständig.“
„Die Löffel von König Germain I.? Und Sie haben ihr dabei geholfen?“, ich schaute ihn verwirrt an, „Ich könnte Sie hinrichten lassen – alle beide, auf der Stelle!“
„Das ist mir bewusst.“
„Mister Pierce-“
„Chris.“
„Christopher, was ist in Sie gefahren?“
Die Löffel von König Germain I. gehörten zu den wichtigsten Schätzen des Empires und das schon seit geraumer Zeit. Sie waren einst Geschenke an den König und seine engsten Vertrauten gewesen, die jedoch ihre Exemplare dem Königshaus vermacht hatten, auf dass sie niemals verloren gingen. Und nun war es einer schmalen Frau gelungen sie an sich zu nehmen.
„Wie lange haben Sie das bereits geplant, Christopher? Sind Sie deswegen in meinen Dienst getreten?“
Er schüttelte den Kopf. „Ich habe erst heute erfahren, dass Elrica die Löffel holen soll. Ich konnte sie nicht allein in ihr Unglück stürzen lassen. Ihr müsst meine Handlungen nicht verstehen, Majestät, ich bin einfach meinem Gefühl gefolgt.“
„Sind Sie in Elrica verliebt?“
Das war für mich die einzige sinnige Erklärung. Verliebte Männer neigten dazu sich heimlich durch dreckige Fluchttunnel zu quetschen oder ähnlich Dummes zu tun, um ihrer Liebsten zu gefallen.
„Wer weiß das schon so genau“, antwortete Christopher wenig aufschlussreich, „aber ich lasse nicht zu, dass sie unnötig leidet, wenn ich es verhindern kann.“
Er war zu spät in der Nacht, um mich weiter damit zu beschäftigen. Ich griff nach der Klinke, zögerte jedoch. Mir kam eine Idee. Und die war, wenn ich es genau beleuchtete, nicht sonderlich gut.
„Was halten Sie von einem Sprung auf der Karriereleiter?“
„Wie meinen?“
„Sie werden zu meiner persönlichen Wache aufsteigen. Mehr Geld, mehr Schichten in meiner Nähe, mehr Gelegenheiten mit mir über die Dummheiten zu sprechen, die Ihre diebische Freundin plant.“
„Von denen erfahre ich immer erst, wenn es fast zu spät ist.“
„Das reicht doch.“ Ich taxierte ihn. „Ab morgen werden Sie immer in meiner Nähe sein, dafür werde ich sorgen. Sie werden deswegen ebenso vielen Gerüchten ausgesetzt sein wie ich. Sie können gerne behaupten, ich habe einen Narren an Ihnen gefressen. Denn wie sonst ist es zu erklären, dass ich über die Maßen viel Zeit mit einem einfachen Wachmann verbringe, Mister Pierce?“
„Bloom. Ich bin hier als Geoffrey Bloom angestellt, aber Ihr dürft mich Jeff nennen.“
Ich erwiderte sein Lächeln, das dem von Alec so ähnlich war, und reichte ihm die Hand.
Winterhoff lag mir schon zu lange in den Ohren, ich solle mir endlich Personen in mein Umfeld holen, denen ich bedingungslos vertraute, Männer wie Frauen. Das traf auf Christopher Pierce nicht ansatzweise zu. Aber er war Alecs Bruder – und damit würde ich sicherlich klarkommen.

2 Kommentare:

  1. Ganz großes Lob!
    Ich-Perspektive ist echt eine Herausforderung. Besonders sie so anzuwenden, dass nicht alles merkwürdig klingt oder die Geschichte nur eintönig erzählt wird. Ich finde dir ist das wunderbar gelungen.
    Außerdem fand ich es schön deine Charaktere mal wieder etwas besser kennen zu lernen und zu erfahren, wie ihre Geschichte weitergeht! :D
    Am Anfang war ich unsicher, was ich von Angelique halten soll, weil sie sich so viele Gedanken um Alecs Stand macht bzw. ihren. Aber ich hab sie im Laufe dieses Textauszugs mögen gelernt. Besonders ihre Entscheidungen zum Ende des Texts hin, haben sie mir sehr sympathisch werden lassen.

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    1. D: D: D:
      Angelique sollte sich auch besser um die Geschicke ihres Landes kümmern als um den Mann in ihrem Bett. Aber sie ist sehr... behütet aufgewachsen und wäre unter normalen Umständen niemals zur Königin geworden. Und mit Märchen an einem recht abgeschotteten Ort aufzuwachsen hat sie wohl zu einer Art verkappten Romantikerin gemacht, die leider auch realistisch bleibt. Dieser Widerstreit ist es, der sie auch ein wenig schwierig zu schreiben macht. Erstmal: Ich-Persspektive als persönliche Challenge meinerseits. Dann noch diese ständigen Gedanken über Alec. Es ist... schon ein wenig anstrengend. xD

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