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[Überblick]

Ich fand, es ist mal an der Zeit, ein wenig Ordnung in die Challenge zu bringen. Immerhin ist es auch für mich schwierig geworden, immer die...

21.08.2016

[03 "Do I know you?"]

Es gibt diese Charaktere, die man sehr liebt, aber nicht richtig schreiben kann. So geht es mir seit Ende 2014 mit meinem Alec Pierce - und dabei war 2014 sein Geburtsjahr! Ich kann mich ganz genau in ihn hineinfühlen, aber die Worte klingen am Ende nie so wie sie sollten. Deshalb wirken alle Texte aus seiner Sicht auf mich immer zusammengewürfelt.
Und dann ist da noch das alte Problem mit den zwei bis x Charakteren identischen Geschlechts, die miteinander agieren. Das ließt sich immer wie ein Zugunglück, weil die Namen tausendmal fallen müssen...



Alec stand nahe der Tür, um schnell gehen zu können, sollte es erforderlich sein. Seit er in London lebte, hatte er jedes Ereignis, gesellschaftlich oder nicht, gemieden so gut es eben ging. Zu den meisten konnte er ohnehin nicht gehen, da es ihm nicht mehr zustand, was ihm sehr recht war. Nur diesmal hatte er sich nicht weigern können, egal wie sehr er es auch versucht hatte. Er war von seinem Chef als Repräsentant der Royal Mail ausgewählt worden und hatte diese Ehre anzunehmen. Dass er nicht wegen seiner guten Arbeit gewählt worden war, sondern wegen seiner Ausdrucksformen und vor allem seines Erscheinungsbildes, setzte dem Ganzen nur noch die Krone auf. Aber sein Chef meinte es irgendwie nur gut mit ihm. Hoffte er.
Insgeheim und nur für sich selbst musste Alec sich eingestehen, dass er nicht nur der Pflicht wegen tatsächlich erschienen war, sondern auch wegen Angelique. Es war ihr Tag, ihr Ereignis – und Alec konnte es kaum erwarten ihrer wieder ansichtig zu werden. Ihre ersten beiden Treffen waren so durchwachsen verlaufen, dass er ihren Eindruck von ihm gerne korrigieren wollte. Bei den Wachen würde ihm das nicht gelingen und so sah er sich mehr als einem fragenden Seitenblick ausgesetzt. Kein Wunder, hatte man in ihm doch einen Attentäter auf das Leben Ihrer Hoheit Königin Angelique I. erwartet. Seit er sie zum ersten Mal getroffen hatte, zufällig beim Ausliefern der Post an den Palast, lag ihm nichts ferner, als ihrem Leben ein Ende zu setzen. Das wusste nur niemand außer ihm.
Emmy, seine Kollegin, winkte ihm zu, widmete sich jedoch schnell wieder dem Herrn, mit dem sie in ein angeregtes Gespräch vertieft schien. Der Uniform zu erteilen handelte es sich um ein ranghohes Mitglied der Royal Navy, das unter anderen Umständen weitaus weniger Worte mit einer einfachen Postangestellten wechseln würde. Doch Emmy war hübsch angezogen und schon immer außerordentlich unterhaltsam gewesen, da war es kein Wunder, dass selbst höher gestellte Herren ihr gerne lauschten.
Von Emmy abgelenkt bemerkte Alec zu spät, wie sich jemand mit einem Grinsen näherte, das irgendwie an eine Katze erinnerte.
„Hallo, Alexis“, sagte Chris dank seiner Körpergröße wie immer von oben herab.
Alec schluckte, schaffte es dann jedoch, verwirrt zu gucken. „Sie müssen mich verwechseln, Sir.“
„Oh, sicher doch, Mister…?“ Als keine Antwort kam, schaute Chris auf das Namensschild, das Bestandteil der Postbotenuniform für offizielle Anlässe war. „Xander Park. Wie überaus erstaunlich. Sie müssen wissen, Mister Park, mein kleiner Bruder ist davongelaufen.“
„Mein tiefstes Bedauern.“
„Er hätte immer lieber Alexander geheißen und stand der Hexe Layla Stone-Park näher als beide durchblicken ließen.“
„Was hat das mit mir zu tun, wenn ich mir diese dreiste Frage erlauben darf? Und mit wem habe ich überhaupt das Vergnügen?“
Chris hob die Augenbrauen, was weniger nach Erstaunen aussah, denn nach einer Herausforderung. Alec versuchte weiterhin seinen neutralen Gesichtsausdruck beizubehalten. Als mittlerer von drei Söhnen war Chris schnell aufgegangen, welche Hebel er bei seinen Brüdern ziehen musste, um zum gewünschten Ergebnis zu kommen – und Alec war über Jahre sein Lieblingsopfer gewesen. Allein dass er geahnt hatte, dass mehr Freundschaft zwischen Alec und Layla herrschte, als zwischen einfachen Nachbarn, die sich gelegentlich sahen, zeigte einmal mehr, wie viel mehr als die meisten anderen Chris herausfand, ohne sich besonders um sein Wissen zu bemühen.
„Christopher Pierce, Sohn von William Pierce, hoch erfreut. Es hat nichts mit Ihnen zu tun. Oder es hätte das nicht, wenn ich dich trotz deiner Verkleidung nicht an deiner gesamten Art auf eine Meile erkennen würde.“
Alec schüttelte den Kopf und trat einen Schritt zur Seite, doch Chris verstellte ihm den Weg.
„Was soll das?“
„Dasselbe könnte ich dich fragen. Ich will dich nicht zu einer Rückkehr zwingen, wenn du endlich etwas gefunden hast, worin du gut bist – obwohl diese Tätigkeit weit unter Stand ist, wenn ich dir das vor Augen halten darf. Es ist nur, dass Vater tobt.“
„Dann lass ihn toben.“
„Ah, also doch Alec und nicht Xander!“
„Ich werde mich nicht rechtfertigen, weder vor dir noch vor sonst wem!“
Mit einem halben Schritt zur Seite deutete Chris an, den Weg wieder freigeben zu wollen, ohne es wirklich zu tun.
„Habe ich das etwa verlangt?“ Er schaute sich um. Dann brachte er Alec in eine ruhige Ecke, indem er ihn halb zog, halb schubste. Schließlich kesselte er ihn ein. „Ich wüsste nur gerne, was du hier zu suchen hast, wo du doch beinahe zwangsläufig Bekannten begegnen wirst.“
„Anweisung vom Chef“, Alec verzog das Gesicht und spürte, wie Chris ihn am Oberarm hielt. Nicht stark genug, um zu schmerzen, aber doch deutlich genug, um als Warnung durchzugehen. „Er meint, ich sehe gut genug aus für einen Repräsentanten.“
Diese Aussage ließ Chris sinken, während das Grinsen zurück auf sein Gesicht fand. „Wahrscheinlich wird in genau diesem Moment schon spekuliert, ich habe mir den schönen Postboten geschnappt, um mich mit ihm zu vergnügen.“
„Das ist ekelhaft!“
„So?“ Chris strich ihm sanft über die Wange, wie er es zuletzt getan hatte, als Alec vier Jahre alt gewesen war. „Weil wir beide Männer sind?“
„Weil wir Brüder sind.“
Alec versuchte aus der Ecke herauszukommen, wurde jedoch von der Hand an seinem Arm zurückgehalten.
„Weißt du, mit Alexis Pierce wäre es natürlich unvorstellbar, aber was ist mit Xander Park? Würde er jemanden wie mich ablehnen? Würde sein kleines Postbotenherz sich nicht über die Aufmerksamkeit von jemandem weit über seiner Gehaltsklasse freuen? Und würde er nicht aus einer solchen, wenn auch kurzen, Verbindung ein wenig Geld ziehen? Wer ist er?“
„Xander Park ist ledig und zufrieden mit sich und seinem Leben, vielen Dank“, zischte Alec.
„Jetzt schau mich doch nicht so bockig an, ich zieh dich doch nur auf. Ich kann mir besseres vorstellen, als meinen kleinen Bruder auf diese Weise zu… bespaßen. Aber meine Frage war ernst gemeint. Wer ist Xander Park? Kennst du ihn und die Arbeiterklasse genug, um wirklich unterzutauchen? Oder stichst du durch mehr als dein hübsches Gesichtchen aus der Masse deiner Kollegen hervor? Dein Vorgesetzter hat dich nicht ohne Grund hergeschickt.“
Alec dachte einen Moment darüber nach, war jedoch nicht gewillt, seine Gedanken zu teilen. Er war sich voll und ganz bewusst, dass er auffiel. Er wurde von einigen Damen umworben, denen er reihum Körbe gab. Immer freundlich, immer höflich. Xander war kein besonders schneller Postbote, weshalb er häufiger als die anderen Überstunden schieben musste, um sein Pensum zu schaffen. Aber sein Status als „schöner Park“ machte ihn eben für einen Abend zum Gesicht der gesamten Royal Mail. Um seine Herkunft scherte sich niemand, nicht einmal sein Mitbewohner, seit er angedeutet hatte, darüber ungerne zu sprechen.
„Xander ist jemand, der vor seinem alten Leben davongelaufen ist und seine Arbeit gut verrichtet. Mehr muss ein Pierce nicht über ihn wissen.“
Chris klopfte ihm auf die Schulter. „Das reicht mir auch schon. Solange du zufrieden bist, sollte ich es auch sein.“
„… wirst du es Vater ver-“
„Ich schweige wie ein Grab! Aber warum bist du nun hier? Du hättest dich einfach krank stellen können. Schau dich doch um.“ Er deutete mit dem Kopf hinter sich. „Alles, was Rang und Namen hat, will den Geburtstag der Königin mit ihr feiern. Einige erinnern sich bestimmt an den jüngsten Pierce-Sohn, der so plötzlich verschwunden ist. Irgendwann hätte jemand deine Scharade auffliegen lassen.“
Trotzdem war es Angeliques Geburtstag, eine der wenigen Gelegenheiten, zu denen auch Gewöhnliche die Gelegenheit erhielten, der Königsfamilie ein wenig näher zu kommen. Dass die Familie inzwischen nur noch ein Mitglied umfasste, wollte er an dieser Stelle lieber gar nicht zu genau beleuchten. Natürlich kannten einige Wachen Alec noch von seinen letzten weniger glücklichen Besuchen hier, aber sie hatten nichts gegen ihn in der Hand, was dazu führte, dass sie ihn nur argwöhnisch musterten, wenn sie ihn sahen. Solange er sich gebührlich verhielt, würde sich das nicht ändern, und etwas anderes hatte er gar nicht vor.
„Es war der ausdrückliche Wunsch Ihrer Majestät, dass diesmal zwei Vertreter der Royal Mail erscheinen, was meinen Chef ein wenig in die Bredouille gebracht hat. Schließlich wurde ich ausgewählt-“
„Trotzdem hättest du nicht erscheinen müssen“, ging Chris dazwischen.
„Ihre Majestät-“
„So wie du das sagst, ist sie der wahre Grund, nicht wahr?“
„Auf gar keinen Fall!“, sagte Alec empört davon, wie leicht es Chris erneut gefallen war, ihn zu durchschauen. „Ganz abgesehen davon, dass es Alexis Pierce schon nicht zugestanden hätte, auf eine andere als die schickliche Weise an ihre Majestät zu denken.“
Chris hob überrascht die Brauen und zog Alec aus der Ecke hinaus.
„Ich dachte ja immer, Damen wie Layla seien dein Ding. Aber du strebst gleich ganz nach oben, oder?“
„Du liegst vollkommen falsch! Ihre Majestät ist nicht der Grund für mein Erscheinen.“
„Und doch bist du hier, obwohl es ein Risiko darstellt. Ich bleibe bei meiner Vermutung, dass es wegen einer einzelnen Person ist, die du treffen möchtest. Ihre Majestät ist nahezu die einzige, die in Frage kommt, und das ist auch in Ordnung, wenn es dich glücklich macht. Ich persönlich mag ja eher Frauen mit einigen Rundungen an den richtigen Stellen, aber jedem das Seine.“
„Das grenzt an Hoheitsbeleidigung.“
„Als ob ein kleiner Postbote mich verraten würde.“ Chris winkte jemandem in der Menge zu und legte das strahlendste Gesellschaftslächeln auf, das ihnen seit ihrer Kindheit antrainiert worden war. „So schön dieses Gespräch auch war, wird es wohl ein jähes Ende erfahren.“
Alec drehte sich um und sah Cornelius Grisham auf sich zukommen, einen alten Schulfreund von Chris, mit dem er nie richtig warm geworden war.
„Pierce!“, sagte Grisham, was Alec zusammenzucken ließ. Das geschah ihm immer, wenn er seinen richtigen Namen irgendwo hörte.
„Grisham, hast du auch eine Einladung ergattert? Ich dachte, dein alter Herr gibt nicht viel auf Ereignisse der Krone.“
„Tut er auch nicht, aber ich habe ihn ausdrücklich daran erinnert, dass es eine Ehre ist und keine Pflicht bei Hofe zu erscheinen, wenn Ihre Majestät Geburtstag feiert.“ Er nickte Chris zu, ehe sein Blick auf Alec fiel, als habe dieser sich soeben materialisiert. „Wer ist denn deine… Bekanntschaft?“ Es klang wie Kakerlake.
„Mister Xander Park. Er hat sich um eine Vorarbeiterstelle bei uns beworben und da er zufällig auch hier ist, dachte ich, ich könne ein Gespräch mit ihm führen. Mister Park, das ist Cornelius Grisham.“
„Hoch erfreut“, sagte Alec zähneknirschend.
„Ich hatte schon befürchtet, du hättest anderes mit dem Herrn zu tun“, überging Cornelius ihn, was Alec mit den Augen rollen ließ.
Chris klopfte ihm auf die Schulter. „Mein Freund mag zwar unlautere Motive hinter unserem Gespräch erwarten, doch seien Sie versichert, dass Sie meine Erwartungen vollends erfüllen. Ich werde mit meinem Vater über Ihre Anstellung reden und mich alsbald bei Ihnen melden. Sollte dies nicht geschehen, scheuen Sie nicht zurück, mir zuerst zu schreiben. Ich bin mitunter ein wenig langsam in meiner Korrespondenz.“ Alec nickte. „Und nun wünsche ich Ihnen noch einen schönen Abend, Mister Park. Ein gut gemeinter Rat: Schauen Sie nicht zu tief ins Glas.“
„Ihnen auch noch einen schönen Abend, Mister Pierce.“
Damit verschwand Chris zusammen mit Cornelius unter den anderen Besuchern und ließ Alec verwirrt zurück. Wenn er ihn nicht zurückholen oder zur Rechenschaft ziehen wollte, dann war diese Vorstellung doch vollends unsinnig gewesen. Oder nicht? Alec biss sich auf die Unterlippe und verzog sich wieder in die Ecke, in die Chris ihn zuvor gedrängt hatte. Sie waren sich nie so nahe gewesen, dass Alec nun das Bedürfnis verspürte, sich dringend bei seinem älteren Bruder melden zu müssen. Aber er hatte keine Standpauke zu hören bekommen, wie schlecht konnte es also stehen.
Alec überlegte, doch zu gehen, indem er Unwohlsein vortäuschte. Das wäre feige, würde jedoch weitere Vorfälle dieser Art verhindern, immerhin konnte er sich nicht nur im Schatten aufhalten oder seine Bahnen am Rand der Gesellschaft ziehen wie ein Verbrecher. Aber das würde nicht nur Emmy und seinen Chef enttäuschen, es würde ihn auch der Gelegenheit berauben, Angelique wiederzusehen, wenn auch nur aus der Ferne. Also blieb er. Vorerst.

3 Kommentare:

  1. Mir gefällt, wie du das Thema umgesetzt hast und ich hab diesen Text sehr genossen. Der Konflikt war wirklich interessant und sehr lebendig dargestellt. Auch wenn es hier wohl um Alec ging, fand ich es doch sehr, sehr schön mehr über Christopher Pierce zu erfahren. Und mehr von ihm zu lesen. :) *gespannt auf mehr*

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    1. Ich mag Chris auch - dabei war er nur ein Name, bis ich jemanden brauchte, dem Elrica im Wald begegnet. Er hat sich angeboten. Er wird seither gehegt und gepflegt.

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    2. Wie wundervoll du das formuliert hast, Liebes! :3 <3 <3 <3

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